Die Studienzeit ist vorbei und du hast die erste Einladung zum Vorstellungsgespräch? Kein Grund, sich zu stressen: So geht es allen! Mira aus Köln hat diesen Schritt gerade hinter sich gebracht. Wir haben mit ihr über Ihre Erfahrungen bei Vorstellungsgesprächen gesprochen und um Tipps für Bewerber gebeten.
Mira, wie war dein erstes Vorstellungsgespräch?
Beim ersten Vorstellungsgespräch war ich noch ultranervös. Ich war viel zu früh da und habe noch eine halbe Stunde an der Bahnhaltestelle gesessen. Als ich dann hereinging, wurde mir richtig schlecht…
Aber oft verfliegt die Nervosität ja, wenn man erstmal anfängt zu sprechen…
In dem Fall leider nicht so richtig. Ich war extrem angespannt, ich saß total unbequem und habe versucht mich total zu kontrollieren: Wo sind meine Hände, gucke ich alle drei Gesprächspartner auch immer an, wie drücke ich mich gewählt aus… Das ging mir alles durch den Kopf, während ich wie ein Roboter antwortete.
Das klingt ja nicht so gut.
War es auch nicht. Ich habe die Woche darauf auch die Absage bekommen. Zunächst war ich enttäuscht, aber ich kann es verstehen: Ich war überhaupt nicht ich selbst, viel zu steif. Und das schlimmste: Ich hatte am Ende keine Fragen mehr an die Gesprächspartner. Ich hatte wirklich keine, weil alles während des Gesprächs beantwortet wurde, was ich mir aufgeschrieben hatte. Heute weiß ich: völlig egal! Dann hakt man einfach nochmal nach. Fragt beispielsweise „Habe ich das nun richtig verstanden, dass…?“ So zeigt man Interesse und das Gespräch ist am Ende rund.
Dann hast du also im ersten Gespräch schon was für dich mitgenommen!
Definitiv. Beim zweiten Gespräch war ich zum einen schon viel lockerer und ich habe mich viel mehr einbringen können. So war es tatsächlich ein Gespräch und kein einseitiges Frage-Antwort-Spiel.
Und, hat’s mit dem Job geklappt?
Ich habe tatsächlich noch im Gespräch quasi eine Zusage erhalten – habe aber am Ende abgelehnt.
Wieso das?
Als es zum Punkt Gehalt kam, war der Zauber vorbei. Das gebotene Gehalt war extrem niedrig. Ich habe das sofort angesprochen. Es bringt ja nichts, damit erst in einem Zweitgespräch oder kurz vor Unterschrift eines Arbeitsvertrags anzukommen. Schade! Aber ich war noch in der Anfangsphase meines Bewerbungsprozesses und dachte mir, ich riskiere jetzt einfach die Absage.
Das ist dir sicher schwergefallen.
Ja und nein. Zunächst dachte ich „Kann ich es mir leisten einen Job auszuschlagen?“ Aber es war gut so, in der Woche darauf kamen drei Einladungen!
Wow! Und wie liefen die Gespräche?
Sehr gut. Bis auf eines, das war wirklich das Verrückteste, was ich in der ganzen Bewerbungsphase erlebt habe – aber es hat mir die Augen geöffnet…
Wie das?
Es fing damit an, dass der Geschäftsführer, mit dem ich den Termin hatte, 20 Minuten zu spät kam. Das finde ich in einem Vorstellungsgespräch schon recht unverschämt. Die Fragen, die er stellte, waren aber weitaus unangemessener und sogar sehr frech. Als Erstes wollte er wissen, welche Religion ich habe, hat sehr merkwürdige Sätze fallen lassen und betont, wie christlich er sei.
Das ist in der Tat merkwürdig und gar frech, Religion ist schließlich Privatsache.
Ja, genauso wie die Frage, was meine Eltern und meine Geschwister beruflich machen. Er wollte nicht nur deren Jobbezeichnung wissen, sondern auch noch genaue Tätigkeitsbeschreibungen haben. Ich habe zwar alles irgendwie beantwortet, aber mir ging schon durch den Kopf, dass es mir hier nicht gefallen wird…
Wie ging das Gespräch weiter?
Er quatschte und quatschte. Ich kam kaum zu Wort. Der hat sich einfach selbst gerne reden gehört. Und am Ende kam – wie fast erwartet – die Frage nach der Familienplanung.
Dabei darf nach Kinderwunsch und Schwangerschaft nicht gefragt werden.
Ja, das sagte er auch selbst. War ihm aber egal. O-Ton: „Ich kann es nicht gebrauchen, wenn hier jemand nach sechs Monaten für zwei Jahre verschwindet. Also: Wie sieht’s aus?“ Mir war aber zwischenzeitlich alles egal. Das Gespräch ging fast 1,5 Stunden und im Nachhinein frage ich mich, warum ich nicht einfach aufgestanden und gegangen bin.
Aber trotzdem sagst du, dass dieses Gespräch dir die Augen geöffnet hat?
Ja! Weil ich erkannt habe, dass ich mich überhaupt nicht anbiedern muss. Das Unternehmen stellt sich in einem Vorstellungsgespräch genauso vor. Das hat der Typ nicht kapiert. Die Einladung zum Zweitgespräch habe ich dann freundlich abgelehnt. In dem Unternehmen wäre ich nie glücklich geworden. Und in den folgenden Gesprächen war ich dann super locker – ich bin einfach mit einer ganz anderen Einstellung rangegangen. Die folgenden drei Gespräche waren gar keine Stresssituation mehr für mich!
Und, hast du am Ende den richtigen Job für dich gefunden?
Ja, habe ich. Seit einem Monat bin ich nun in einem tollen Team mit super Arbeitsatmosphäre. Alles ist so, wie ich es mir nach dem Vorstellungsgespräch vorgestellt habe. Eindruck und Realität passen zusammen.
Welche Tipps kannst du Bewerbern geben, die zu einem Gespräch eingeladen wurden?
- Mit sich selbst reden! Jeder überlegt sich im Vorfeld, was man im Gespräch wohl gefragt wird. Die Antworten würde ich nicht nur in Gedanken oder auf Papier formulieren, sondern auch mal laut und deutlich aussprechen. Nur so merkt man, ob es noch irgendwo hakt.
- Ich habe außerdem die Stellenanzeige und die Bewerbung meinem Freund vorgelegt. Ein Außenstehender hat nämlich nochmal einen ganz anderen Blick. Der hatte immer noch viele Ideen, auf welche Fragen ich mich vorbereiten sollte.
- Zudem habe ich mich auf die Gehaltsfrage vorbereitet. Man sollte wissen, was man verdienen möchte und das gewünschte Bruttogehalt als Monats- und Jahresgehalt nennen können. Am besten vorher im Internet einen Brutto-Netto-Rechner benutzen.
- Fragen überlegen! Und wenn man am Ende keine mehr hat, einfach nochmal nachfragen! Besser so, als gar nichts zu sagen.
- Und das wichtigste: Mit der richtigen Einstellung ran gehen. Am besten man macht sich bewusst, dass sich das Unternehmen genauso vorstellt. Wer gut qualifiziert ist, geht als gleichberechtigter Partner in das Gespräch. So ist es und nicht anders! Die Zeiten des Anbiederns sind vorbei. Wenn man das verinnerlicht hat, bleibt man auch viel lockerer.