Nordrhein-Westfalen ist als bevölkerungsreichstes Bundesland oft auch ein Gradmesser für aktuelle und kommende Trends. Im kulinarischen Hinblick spielt es definitiv auch eine Rolle, dass es nirgendwo in Deutschland eine größere Dichte an Gastronomiebetrieben gibt als hier. Der mit 163 Litern pro Kopf und Jahr bundesweit höchste Kaffeekonsum lässt sich darauf jedoch kaum zurückführen, denn ¾ des Kaffeekonsums in NRW findet in den eigenen vier Wänden statt. Um Trends zu erkennen, muss man also primär einen Blick in die privaten Wohnungen werfen.
Filterkaffee = trinkbare Traditionspflege?
Seit Uromas Zeiten hat sich die Kaffeekultur auch in Nordrhein-Westfalen deutlich verändert. Zwar gibt es auch heute noch Menschen, die einen Filter auf eine Kaffeekanne setzen, Kaffeepulver hineingeben und dann langsam heißes Wasser angießen. Die meisten Rheinländer und Westfalen schwören bei der Kaffeezubereitung allerdings auf Technik, wenn auch mehrheitlich nicht auf die neuesten Trends: 57 % nutzen noch (oder wieder) die althergebrachte Filtermaschine. Daraus kann jedoch nicht automatisch ableiten, dass man im Westen keinen Sinn für Qualität hätte: Die Nachfrage nach hochwertigem, fair gehandeltem Bio-Kaffee steigt seit Jahren kräftig an – und die Branche rechnet mit weiterem Wachstum.
Zudem weiß man auch in NRW längst, dass frisch gemahlener Kaffee besser schmeckt als ein Produkt, das bereits vorgemahlen im Regal des Supermarktes steht. Und zwar unabhängig von der Zubereitungsmethode. Zwar gibt es hierzu keine spezifischen Zahlen für Nordrhein-Westfalen, doch laut bundesweiten Zahlen haben zwar geröstete, aber ungemahlene Bohnen mittlerweile einen Marktanteil von 44 %.
Bleibt also alles anders in NRW?
Während Kaffeevollautomaten und Siebträgermaschinen für Gastronomie wie Privatwohnungen scheinbar überall auf dem Vormarsch sind, erwecken die nackten Zahlen den Eindruck, NRW sei eine Bastion der Kaffee-Traditionalisten. Doch ein näherer Blick zeigt, dass sich auch in der hiesigen Kaffeekultur eine Veränderung vollzieht. Zumindest, wenn man auf das Alter der Kaffeetrinker schaut. Denn während die Generation 60+ zumindest zu Hause vor allem klassischen Filterkaffee trinkt, präferiert ein Großteil der jüngeren Leute das Heißgetränk aus dem Siebträger oder dem Vollautomaten.
Bemerkenswert ist jedoch die Gegenbewegung in den jüngeren Generationen: Der Trend geht klar zu der auch in Italien favorisierten Technik, doch einige feiern die klassische Brühmethode mit dem auf die Kanne gesetzten Kaffeefilter als persönliche Neuentdeckung. Und wie sieht es in den 32.800 Gastronomiebetrieben des Bundeslandes aus? Anders als in früheren Zeiten dominieren hier mittlerweile der Kaffee Crème, verschiedene Espresso-basierte Kaffeegetränke sowie Cappuccino und Latte Macchiato. Lediglich zur Frühstückszeit überwiegt vor allem in den Hotels nach wie vor der althergebrachte Filterkaffee – wobei die Menschen natürlich auch morgens gerne frisch gemahlenen Kaffee genießen.
Ein Hauptgrund für die Veränderungen in der deutschen Kaffeekultur ist nicht auszumachen. Vielmehr trägt gleich eine ganze Reihe verschiedener Faktoren dazu bei. So achtet man (auch) hierzulande immer mehr auf fair gehandelte, hochwertige Produkte. Wenn dies mit einer geschmacklichen Ausgewogenheit einhergeht und als Basis für einen bekömmlichen Kaffee dient, spitzen nicht nur ausgewiesene Coffee-Junkies ihre Ohren. Last, but not least, wirken sich auch geschmackliche Urlaubserinnerungen auf den alltäglichen Konsum aus: Wenn Aroma und Textur des Kaffees an die Piazza in Milano erinnern, kann man auch den härtesten Arbeitstag besser bewältigen. Omas Filterkaffee kann in diesem Punkt leider nicht mithalten.
Und wie sieht es in der Zukunft aus?
Fakt ist: Der Preis für Rohkaffee auf den Weltmärkten kennt seit Jahren nur den Weg nach oben – und nach einer Trendumkehr sieht es hier nicht aus. In Deutschland und NRW wird Kaffee damit zwar kein knappes Gut, doch die Preise werden wohl weiterhin steigen. Dies wiederum führt zu einer höheren Wertschätzung des Produktes, der man mit echtem Kaffeegenuss Rechnung tragen kann. Für welche Brühmethode man sich letztlich entscheidet, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Doch wer frisch gemahlenen Kaffee genießen kann, sollte sich das auf keinen Fall entgehen lassen.