NRW-Unternehmen – Spezialisten in Oberflächentechnik & Oberflächenchemie

Werkstoffprüfung
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Woran denken Sie beim Stichwort NRW? An Kohleabbau, Stahlerzeugung und Fleischproduktion? Dann bedienen Sie die typischen Klischees über das Bundesland.

Aber wussten Sie auch, dass in NRW einige führende Unternehmen im Bereich Oberflächentechnik, speziell Oberflächenchemie, beheimatet sind? Wir stellen Ihnen diesen interessanten Wirtschaftszweig etwas näher vor.

Was versteht man unter Oberflächentechnik / Oberflächenchemie?

Die Oberflächentechnik befasst sich mit physikalischen und chemischen Phänomenen, die an der Grenzfläche zwischen zwei Phasen auftreten – z. B. an Fest-Flüssig-Grenzflächen, Fest-Gas-Grenzflächen, Fest-Vakuum-Grenzflächen und Flüssig-Gas-Grenzflächen. Sie umfasst die Bereiche Oberflächenchemie und Oberflächenphysik.

Das Fachgebiet umfasst Konzepte wie die Herstellung von Halbleiterbauelementen, Brennstoffzellen, selbstorganisierte Monoschichten und Klebstoffe. Die Oberflächentechnik ist eng mit der Grenzflächen- und Kolloidwissenschaft verwandt, die Grenzflächenchemie und -physik ist beiden gemeinsam.

Die Methoden sind jedoch unterschiedlich. Darüber hinaus untersucht die Grenzflächen- und Kolloidwissenschaft im Prüflabor makroskopische Phänomene, die in heterogenen Systemen aufgrund der Besonderheiten von Grenzflächen auftreten.

Die Anfänge der Oberflächentechnik

Das Gebiet der Oberflächentechnik, speziell Oberflächenchemie, entstand mit der heterogenen Katalyse, für die Paul Sabatier mit der Hydrierung und Fritz Haber mit dem Haber-Prozess Pionierarbeit leisteten. Irving Langmuir war ebenfalls einer der Begründer dieses Gebiets – die wissenschaftliche Zeitschrift für Oberflächenwissenschaft, Langmuir, trägt seinen Namen.

Die Adsorptionsgleichung von Langmuir wird zur Modellierung der Monolagenadsorption verwendet, bei der alle Adsorptionsstellen auf der Oberfläche die gleiche Affinität für die adsorbierende Spezies haben und nicht miteinander wechselwirken.

Gerhard Ertl beschrieb 1974 erstmals die Adsorption von Wasserstoff an einer Palladiumoberfläche mit Hilfe einer neuartigen Technik namens LEED. Ähnliche Studien mit Platin, Nickel und Eisen folgten. Zu den jüngsten Entwicklungen im Bereich der Oberflächentechnik gehören die Fortschritte des Chemie-Nobelpreisträgers von 2007 Gerhard Ertl in der Oberflächenchemie, insbesondere seine Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Kohlenmonoxidmolekülen und Platinoberflächen.

Die Oberflächenchemie

Die Oberflächenchemie lässt sich grob als die Untersuchung chemischer Reaktionen an Grenzflächen definieren. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Oberflächentechnik, die darauf abzielt, die chemische Zusammensetzung einer Oberfläche durch den Einbau ausgewählter Elemente oder funktioneller Gruppen zu verändern, um verschiedene gewünschte Effekte oder Verbesserungen der Eigenschaften der Oberfläche oder Grenzfläche zu erzielen. Die Oberflächenwissenschaft ist von besonderer Bedeutung für die Bereiche heterogene Katalyse, Elektrochemie und Geochemie.

Analysetechniken

Die Untersuchung und Analyse von Oberflächen umfasst sowohl physikalische als auch chemische Analyseverfahren. Mehrere moderne Methoden untersuchen die obersten 1-10 nm von Oberflächen, die dem Vakuum ausgesetzt sind. Dazu gehören die winkelaufgelöste Photoemissionsspektroskopie (ARPES), die Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS), die Auger-Elektronenspektroskopie (AES), die Niederenergie-Elektronenbeugung (LEED), die Elektronenenergieverlustspektroskopie (EELS), die thermische Desorptionsspektroskopie (TPD), die Ionenstreuungsspektroskopie (ISS), die Sekundärionen-Massenspektrometrie, die Dualpolarisations-Interferometrie und andere Oberflächenanalyseverfahren, die in der Liste der Materialanalyseverfahren aufgeführt sind.

Viele dieser Verfahren erfordern ein Vakuum, da sie auf dem Nachweis von Elektronen oder Ionen beruhen, die von der untersuchten Oberfläche emittiert werden. Darüber hinaus ist es im allgemeinen Ultrahochvakuum im Bereich von 10-7 Pascal Druck oder mehr notwendig, die Oberflächenkontamination durch Restgas zu reduzieren, indem die Anzahl der Moleküle, die die Probe in einem bestimmten Zeitraum erreichen, verringert wird.

Rein optische Techniken können zur Untersuchung von Grenzflächen unter einer Vielzahl von Bedingungen eingesetzt werden. Reflexions-Absorptions-Infrarot, Dualpolarisations-Interferometrie, oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie und Summenfrequenzgenerations-Spektroskopie können zur Untersuchung von Festkörper-Vakuum- sowie Festkörper-Gas-, Festkörper-Flüssig- und Flüssig-Gas-Oberflächen eingesetzt werden.

Die multiparametrische Oberflächenplasmonenresonanz funktioniert an Fest-Gas-, Fest-Flüssig- und Flüssig-Gas-Oberflächen und kann sogar Schichten im Subnanometerbereich aufspüren und die Wechselwirkungskinetik sowie dynamische Strukturveränderungen wie den Kollaps von Liposomen oder die Quellung von Schichten bei unterschiedlichen pH-Werten messen.

Die Doppelpolarisationsinterferometrie wird zur Quantifizierung der Ordnung und Störung in doppelbrechenden dünnen Filmen eingesetzt, beispielsweise zur Untersuchung der Bildung von Lipiddoppelschichten und ihrer Wechselwirkung mit Membranproteinen.

Akustische Techniken wie die Quarzkristallmikrowaage mit Dissipationsüberwachung werden für zeitaufgelöste Messungen von Festkörper-Vakuum-, Festkörper-Gas- und Festkörper-Flüssig-Grenzflächen eingesetzt. Die Methode ermöglicht die Analyse von Molekül-Oberflächen-Wechselwirkungen sowie von strukturellen Veränderungen und viskoelastischen Eigenschaften der Grenzfläche.

Spezialisten für Oberflächenanalytik in NRW

Spezialisten für Oberflächenanalytik in Nordrhein-Westfalen setzen modernste Röntgenstreuungs- und Spektroskopietechniken zur Charakterisierung von Oberflächen und Grenzflächen ein. Während einige dieser Messungen mit Labor-Röntgenquellen durchgeführt werden können, erfordern viele die hohe Intensität und Energieabstimmbarkeit von Synchrotronstrahlung.

Mit Röntgenkristallstäben (CTR) und Röntgenstehwellen (XSW) lassen sich Veränderungen in der Oberflächen- und Adsorbatstruktur mit einer Auflösung von weniger als einem Ångström untersuchen. Messungen der oberflächenerweiterten Röntgenabsorptionsfeinstruktur (SEXAFS) geben Aufschluss über die Koordinationsstruktur und den chemischen Zustand der Adsorbate.

Die Röntgenkleinwinkelstreuung im Streiflicht (GISAXS) gibt Aufschluss über Größe, Form und Ausrichtung von Nanopartikeln auf Oberflächen. Die Kristallstruktur und Textur dünner Filme kann mit der Röntgenbeugung im Streiflicht (GIXD, GIXRD) untersucht werden. Die Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) ist ein Standardinstrument zur Messung der chemischen Zustände von Oberflächenspezies und zum Nachweis von Oberflächenkontaminationen.

Die Oberflächenempfindlichkeit wird durch den Nachweis von Photoelektronen mit kinetischen Energien von etwa 10-1000 eV erreicht, die entsprechende inelastische mittlere freie Weglängen von nur wenigen Nanometern haben. Diese Technik wurde so erweitert, dass sie auch bei Umgebungsdruck eingesetzt werden kann (XPS bei Umgebungsdruck, AP-XPS), um realistischere Gas-Festkörper- und Flüssig-Festkörper-Grenzflächen zu untersuchen.

Die Durchführung von XPS mit harten Röntgenstrahlen an Synchrotronlichtquellen liefert Photoelektronen mit kinetischen Energien von mehreren keV (harte Röntgen-Photoelektronenspektroskopie, HAXPES), die den Zugang zu chemischen Informationen von vergrabenen Grenzflächen ermöglicht.